Biodiversität als Lebensversicherung und die Rolle der Finanzwelt
Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemleistungen sichern unsere Lebens- und Wirtschaftsgrundlage, denn sie sind essenziell dafür. Nicht genug betont werden kann somit die Bedeutung des Biodiversitätsschutzes und die Frage, ob und wie die Finanzbranche zu diesem Thema beitragen kann.
Laut dem Weltwirtschaftsforum ist der Verlust der Biodiversität eines der größten globalen Risiken der nächsten 10 Jahre. Biodiversität bildet das Fundament unserer Lebensgrundlage und Wirtschaftsleistung.
Die Definition von Biodiversität umfasst die Vielfalt aller Lebensformen, von Tieren bis zu Pflanzen, deren Erhalt den Schutz verschiedener Lebensräume erfordert. Auf politischer Ebene existieren völkerrechtlich bindende Abkommen wie das „Übereinkommen über die biologische Vielfalt“ von 1992.
Bindende Abkommen - Finance for Biodiversity Pledge
Ein neues "Globales Rahmenabkommen für den Schutz der Biodiversität" wurde im Dezember 2022 auf der UN-Biodiversitätskonferenz verabschiedet. Österreich folgt mit seiner "Biodiversitäts-Strategie 2030+" einem umfassenden Zehnpunkteprogramm zur Sicherung unserer Lebensgrundlagen. Die Finanz- und Realwirtschaft spielen wie so gut wie in jedem Bereich eine zentrale Rolle, so auch bei der Erhaltung der Biodiversität, denn es geht nicht nur um die Risikominimierung und finanziellen Einbußen aufgrund des Biodiversitätsverlusts, sondern auch um die Verringerung negativer Auswirkungen auf jegliches Leben auf diesem Planeten, auch das der Spezies Mensch. Gesetzliche Rahmenwerke wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), E-Taxonomie und das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) integrieren den Schutz der Biodiversität. Parallel dazu gibt es Initiativen auf freiwilliger Basis, darunter der "Finance for Biodiversity Pledge".
Der "Earth Overshoot Day"
Dieser Tag verdeutlicht, dass die Ressourcen der Erde permanent überbeansprucht werden. Die Natur trägt maßgeblich zum Wirtschaftswachstum bei, und laut PwC hängt mehr als die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung mäßig oder stark von der Natur ab. Die Notwendigkeit, unseren Umgang mit der Natur zu ändern, eröffnet aber auch bedeutende Chancen für innovative Lösungen im Hinblick auf nachhaltiges Wirtschaftswachstum und dessen Finanzierung, beispielsweise durch die Emission von Green Bonds. Bisher liegt der Fokus der Finanzierung noch hauptsächlich auf der CO2-Neutralität, während regenerative Biodiversitätsprojekte und Initiativen zum Schutz der Ökosysteme oft zu kurz kommen.
Mit steigendem Umweltbewusstsein werden Anleger vermehrt danach streben, Investitionen in Unternehmen zu vermeiden, die die Biodiversität gefährden. Ebenso könnten Unternehmen, deren Geschäftserfolg stark von natürlichen Ressourcen abhängt, in Zukunft Schwierigkeiten bekommen, wenn sie keine Strategien zur Erneuerung und Wiederherstellung derselben implementieren. Es wird wohl auch nötig werden, Unternehmen im Hinblick auf Biodiversität zu kategorisieren und zu messen, denn Transparenz in der Bewertung von Auswirkungen und Abhängigkeiten ist entscheidend.
Verschiedene Initiativen zielen darauf ab, freiwillige Offenlegungsstandards zu fördern, die biodiversitätssensible Gebiete und alle Bereiche der CO2-Emissionen berücksichtigen. Die EU unternimmt vielversprechende Bemühungen in dieser Richtung, aber es gibt noch viel zu tun, um mehr Transparenz zu erreichen. Es wird sich mit der Zeit zeigen, ob Unternehmen freiwillige Verpflichtungen zum Schutz der biologischen Vielfalt eingehen oder ob regulatorischer Druck erforderlich sein wird.
Assetmanager Umfrage
In der Zwischenzeit können Investoren durch Engagement-Initiativen wie Nature Action 100 (NA100) eine wichtige Rolle spielen. Die Asset-Management-Branche hat bereits beim Thema Klimawandel gezeigt, dass sie sowohl Anleger als auch Unternehmen zu einem Umdenken bewegen kann. In Zukunft werden die Vermögensverwalter ihre Analysen wohl zum Schutz der biologischen Vielfalt verfeinern, zuverlässige Datenbanken aufbauen und Unternehmen mit Kapital unterstützen, indem sie Projekte finanzieren, die auf die Wiederherstellung und Erneuerung unserer natürlichen Welt abzielen. Das sind wirklich erfreuliche Aussichten!
Originalbeitrag: Gastkommentar Dr. Susanne Lederer-Pabst im Börse Social Dezember 12/2023