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01. August 2025

Startups und eine Zukunft, die nicht weiß, wie sie aussehen wird

In einer Welt, die zunehmend von Unsicherheiten, Spannungsfeldern und konkurrierenden Zielsetzungen geprägt ist, wird deutlich: Die Zukunft lässt sich nicht planen. Sie lässt sich gestalten. Und zwar durch deren bewusste Integration in ein höheres, dynamisch-komplexes Ganzes. Genau hier liegt die transformative Kraft. Die Zukunft entfaltet sich dort, wo Gegensätze nicht länger als Widersprüche betrachtet werden müssen, sondern sich berühren oder sogar umarmen dürfen. 

Paradoxien und Antagonismen verlieren ihre Trennkraft, wenn sie in ein höheres Ganzes integriert werden. Genau darin liegt das Wesen dynamischer Komplexität: nicht im Entweder-oder, sondern im Sowohl-als-auch – als Grundlage für echtes Zukunftspotenzial.

Die Zukunft als paradoxes System
In der systemischen Forschung spricht man in diesem Zusammenhang davon, dass Ursache und Wirkung nicht direkt kausal verknüpft sind, sondern in Rückkopplungsschleifen verlaufen, in dem kleine Impulse große Wirkungen zeigen können, und auch dort, wo sie wirklich niemand vermutet. Metaphorisch ist das der Flügelschlag des Schmetterlings, der auf der anderen Seite der Erde einen Orkan auslöst („Butterfly Effect“ aus der Chaostheorie).

Die großen Fragen der Gegenwart sind nicht linear zu beantworten. Klimawandel und wirtschaftliches Wachstum. Technologischer Fortschritt durch KI und sozialer Zusammenhalt. Selbstbestimmung und kollektive Verantwortung. Diese Gegensätze lassen sich nicht einfach auflösen. Doch sie lassen sich gestalten – durch eine neue Haltung, die das Paradoxe nicht als Problem, sondern als Potenzial begreift.

Startups als Reallabore der Zukunft
Startups sind für mich der lebendige Ausdruck dieser Haltung. Sie sind Suchbewegungen. Sie probieren aus, was das Morgen tragen könnte. In ihrer DNA liegt das Experiment, der Irrtum, die schnelle Anpassung und der Mut zur radikalen Frage: Was, wenn es auch anders geht? Dabei zeigen Startups auf gesellschaftlicher Ebene eine enorme Wirkung: Sie schaffen nicht nur Jobs und Innovation, sondern sie verkörpern eine neue Form des Denkens. Nicht stabil und vorhersehbar, sondern adaptiv und explorativ.

In Zeiten, in denen sich gesellschaftliche, ökonomische und klimatische Realitäten permanent verschieben, wird diese Denkweise zur überlebenswichtigen Kulturtechnik. Man könnte auch sagen, dass die Startup-Szene eine Art soziale Antwort auf eine Zukunft ist, die nicht weiß, wie sie aussehen wird. In Österreich haben sich in den letzten Jahren vielfältige Ökosysteme etabliert, die Unternehmertum nicht nur als wirtschaftliche Kategorie, sondern als kulturellen Auftrag verstehen.

Epigenetik: Wie wir die Zukunft mitgestalten
Eine ähnliche Denkbewegung lässt sich in der Epigenetik erkennen. Diese noch junge Forschungsrichtung zeigt, dass nicht nur unsere DNA unser Verhalten bestimmt, sondern vor allem auch Umwelt, Lebensstil und Denkweise Einfluss auf die Genexpression nehmen. Mit anderen Worten: Unsere Biologie ist kein statischer Bauplan, sondern ein dynamisches System, das auf Signale reagiert. Das bedeutet: Wie wir leben, denken, fühlen und handeln beeinflusst auch unsere Genetik. Wir sind aktive Mitgestalter unseres biologischen Seins, nicht Opfer unserer Gene.

Ich sehe Epigenetik als die wissenschaftliche Entsprechung des Startup-Mindsets auf molekularer Ebene: Mut zur Gestaltung, Offenheit für Neues und die selbstverantwortliche Kraft der Entscheidung. Wer heute ein Startup gründet, betritt nicht nur den Markt, sondern einen kulturellen Raum der Möglichkeiten. Wer sich z.B. bewusst ernährt, resilient denkt, meditiert und Sport betreibt, beeinflusst nicht nur das eigene Wohlbefinden, sondern auch seine genetische Selbstregulation.
Was verbindet also diese scheinbar unterschiedlichen Welten? Für mich die Erkenntnis, dass Kontrolle eine Illusion ist – und Gestaltung eine Verantwortung. Sowohl im Unternehmertum als auch in der Biologie zeigt sich: Die Zukunft entsteht nicht durch Replizieren der Vergangenheit, sondern durch eine offene Haltung und verantwortungsvolles Handeln.

Originalbeitrag: 
Gastkommentar Dr. Susanne Lederer-Pabst in Börse Social Magazine #103_Ausgabe 07/2025.